Warum “TiSA” nicht weniger kritisch ist als “TTIP” und “CETA”
Gänzlich unbeobachtet von den Verhandlungen über “TTIP” und “CETA” finden schon seit einiger Zeit multilaterale Verhandlungen über “TiSA” statt.
Was verbirgt sich aber dahinter?
TiSA, das „Trade in Services Agreement” oder auch „Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen“, ist eines der wichtigsten derzeit verhandelten Abkommen.
Dabei wird zwischen der EU und 21 anderen Ländern (unter anderem die USA, Türkei, Kanada, Mexiko, Australien und Japan) verhandelt, um den Handel mit Dienstleistungen zu liberalisieren.
Diese 21 Mitgliedsstaaten nennen sich dabei selbst „Really Good Friends of Services” (RGF), was wohl den Eindruck vermitteln soll, dass es sich hierbei um einen wohlwollenden Zusammenschluss handelt. Sicher, das ist er auch, allerdings eben weniger wohlwollend gegenüber den Staaten, sondern wohlwollend gegenüber Konzernen, der eigenen Wirtschaft, und natürlich auch deren Lobbyverbänden.
Wie wird verhandelt
Bislang war hier die Grundlage das sogenannte „GATS“-Abkommen, welches als Grundlagendokument der WHO (Welthandelsorganisation) gilt. Da aber die Bemühungen zur Reformierung des Vertragswerkes seit 2005 faktisch stillstehen, will die RGF nunmehr mittels „TiSA“ diese neuen Standards quasi im Vorbeigehen durchdrücken.
Die TISA-Verhandlungen verlaufen mehr oder weniger nach dem Programm der Großkonzerne, nämlich “Handelsabkommen” dazu zu nutzen, Länder zu extremer Liberalisierung und Deregulierung zu verpflichten und auf diese Weise den Konzernen auf Kosten der ArbeitnehmerInnen, LandwirtInnen, VerbraucherInnen und der Umwelt größere Gewinne zu verschaffen.
Fatalerweise, und dies ergibt sich aus der Konstellation, werden damit viele wichtige Mitglieder der WHO außen vor gelassen (Beispiel Brasilien, Russland, China). Gerade in Brasilien, wo der Dienstleistungssektor einem eminenten Wachstumsschub unterliegt, hätten die Regelungen durch „TiSA“ massive Auswirkungen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die sogenannten „BRICS“-Staaten gegen jegliche Verhandlungen außerhalb der WTO sind.
Noch schlimmer wird das ganze Konstrukt, wenn man sich anschaut, wie hier hinter verschlossenen Türen diese sehr einsseitigen Vereinbarungen abgeschlossen werden sollen. So sind an den Verhandlungen die Nationalstaaten nicht beteiligt und sämtliche Dokumente in diesem Rahmen sind nichtöffentlich. Somit sind sowohl die Parlamentarier, aber auch Bürgerinnen und Bürger, Parteien sowie NGOs, Gerwekschaften und viele andere bewusst ausgegrenzt worden.
Hier wird also ganz gezielt die Möglichkeit der Mitsprache ausgehebelt, damit die Interessen der Konzerne und anderer Wirtschafsunternehmen ungestört den Vertragstext diktieren können.
Was wird verhandelt?
Ganz vereinfacht ausgedrückt geht es um eine weitere Liberalisierung (noch größere Öffnung) der Märkte der Vertragspartner. Es sollen dabei neue Standards im Handel mit Dienstleistungen festgelegt werden.
Nicht nur die Gefahr der Liberalisierung öffentlicher Güter wie Abfallentsorgung, Bildung und Gesundheit oder anderer Dienstleistungen wie Datenschutz ist problematisch. Vielmehr sollen ausländische Investoren auch ihre eigenen ArbeitnehmerInnen mitbringen können.
Weitere Bestandteile der Verhandlungen sind die Liberalisierung finanzieller Dienstleistungen, digitalem Handel, staatlichen Unternehmen, sowie Telekommunikation und Postdienstleistungen.
Auch Dienstleistungen in den Bereichen Energie und Umwelt sind wahrscheinlich eingeschlossen.
Wie wirkt sich das aus?
„TiSA“ kann zum Beispiel die Bemühungen, Dienstleistungen zu rekommunalisieren, erschweren. Dies heißt ganz konkret, dass lokale oder nationale Regulation der Märkte immer begrenzter möglich sein wird. Damit stehen beispielsweise auch die kommunale Wasserversorgung oder das öffentliche Gesundheitswesen quasi vor einer weiteren Verwirtschaftlichung, und lassen sich dann bei Scheitern nicht einfach wieder zurück in öffentliche Hand führen.
Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit könnte dies bedeuten, dass ausländische Konzerne ihre Arbeitskräfte selbst mitbringen, die dann den jeweiligen nationalen Regelungen nicht mehr unterliegen. Somit würden auch mühsam erworbene Arbeitnehmerrechte ad absurdum geführt und die Marktfähigkeit der heimischen Wirtschaft schon allein auf Grund der unterschiedlichen Vergütungsbedingungen nachhaltig gefährdet werden. Dies würde unter anderem auch massiv die Klein- und mittelständischen Betriebe treffen, die für einem funktionierenden Markt für die Schaffung von Arbeitsplätzen unerlässlich sind.
Im Bereich der Gesundheitsfürsorge kann dies bedeuten, dass die langfristige Sicherstellung der öffentlichen Gesundheitseinrichtung Großkonzerne konterkariert wird, in dem mehr und mehr privatwirtschaftlich betriebene Krankenhäuser vorhanden sein werden Dass diese dann zuallererst die Maximierung des Profits im Auge haben, und nicht die Gesundheit der Patienten, dürfte sich von selbst verstehen.
Fazit
Das geplante Abkommen zu „TiSA“ ist ein direkter und unverhohlener Angriff auf das öffentliche Interesse und das Gemeinwohl.
Zu keinem Zeitpunkt kann sichergestellt werden, dass ausländische Investoren die öffentlichen und dem Gemeinwohl verpflichteten Ziele respektieren oder gar fördern. Insbesondere die geplante weitere Aushöhlung lebenswichtiger Dienste wie Gesundheitswesen und Sozialversicherung, Wasser- und Energieversorgung, Postdienste, Bildung, öffentlicher Personennahverkehr, Abwasserentsorgung und andere Dienste birgt dabei enorme Risiken, wenn diese Dienste privaten, ausländischen Konzernen überlassen werden. Denn auch hier steht zuallererst die Maximierung der Gewinne der Investoren im Vordergrund, die in der Regel zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger des jeweiligen Landes gehen wird.
Eine strenge Regulierung und Beaufsichtigung der vom öffentlichen und privaten Sektor erbrachten Dienstleistungen ist von eminenter Bedeutung für die Demokratie, das öffentliche Interesse und die allgemeine Entwicklung. Bei der bisherigen Verhandlungstaktik der Vertragspartner steht zu befürchten, dass genau diese wichtigen Aspekte keine Berücksichtigung finden werden bzw. bewusst umgangen werden sollen.
Normalerweise sind es die innerstaatlichen Regulierungsbehörden und die Aufsichtsorgane auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene, die die Politik zu diesen wichtigen Punkten bestimmen müssen.
Keinesfalls die jeder Rechenschaftspflicht enthobenen Verhandlungsführer, die bisher eine klare Neigung zur Beschneidung von Regulierungen gezeigt haben und den Konzerngewinnen Priorität über dem öffentlichen Interesse einräumen.
Forderungen
Wir fordern die Verhandlungsführer der europäischen Union auf, die Verhandlungen sofort einzustellen.
Bei allen weiteren Verhandlungen sind Vertreter der einzelnen Staaten, der ansässigen NGO sowie der innerstaatlichen Parlamente zu beteiligen bzw. zu informieren.
Alle Dokumente, egal ob Verhandlungsstände oder bereits ausformulierte Papiere sind öffentlich zu machen und direkt bereitzustellen.
Grundsätzlich ist es sinnvoller, wenn derartige Verhandlungen im Rahmen der WTO geführt werden und zum Ziel haben, das „GATS“-Abkommen weiterzuentwickeln.
Vor Inkraftsetzen möglicher Regelungen sind die nationalen Parlamente sowie das EU-Parlament anzuhören und deren Zustimmungen einzuholen.