Koalitionsvertrag – VDS, Datenschutz und Bürgerbeteiligung
Nun haben sie es nach Wochen, Tagen und Stunden geschafft, einen Koalitionsvertrag hinzuzimmern. Das war zu erwarten. Ebenso, dass sich Gabriel, Merkel und Horst nun gegenseitig auf die Schulter klopfen und sich über den grünen Klee loben, was sie alles hinbekommen haben. Das vorhandene Damoklesschwert des SPD-Mitgliederentscheids wird dabei gelegentlich ausgeblendet.
Und nein, ich werde an dieser Stelle nichts über die Mütterrente, den Mindestlohn, ein bisschen mehr oder weniger Maut oder die Rente mit 63 schreiben. Dazu wird es sicher genügend Blogger geben, die sich diesen Themen annehmen werden. Am Ende des Tages wird man sagen können, dass für jeden etwas dabei ist, allerdings eben auch einige große Baustellen halbwegs offen geblieben sind.
Mich interessieren vielmehr die “Weichenstellungen” in Sachen Netzpolitik, Bürgerbeteiligung, Datenschutz. Und hier kann auf einen Blick konstatieren, dass der große Wurf hier absolut ausgeblieben ist. Vielmehr werden hier Regelungen im Koalitionsvertrag getroffen, die zu Kopfschütteln und Unverständnis animieren.
Also schauen wir uns die einzelnen Themen einmal an.
Vorratsdatenspeicherung (VDS)
Nachdem es ja nun einige Versuche gab, die VDS einzuführen (auch unter Zugrundelegung der EU-Richtlinie) wurde es nach dem Urteil des BVG lange Zeit ruhig darum. Dazu beigetragen hatten unter anderem auch die ständigen Warnungen der Piraten und der FDP (SLS), sowie die entsprechenden Petitionen, die dazu auf den Weg gebracht wurden.
Dass nunmehr via Koalitionsvertrag die anlasslose Überwachung wieder eingeführt werden soll ist ein Affront gegen die Bürgerrechte.
Denn nunmehr steht quasi jeder unter Generalverdacht und die Unschuldsvermutung wird ad absurdum geführt. Das dieses Thema auch bei der SPD selber nicht auf Gegenliebe stößt findet man unter anderen auch bei Heise.
“Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat die SPD-Basis aufgefordert, die Pläne bei ihrem Mitgliederentscheid zu stoppen. “Alle unsere täglichen Kontakte und Bewegungen erfassen zu wollen, ist ein Vorhaben unerhörten Ausmaßes”, moniert die Organisation. Die Digitale Gesellschaft beklagt ebenfalls, dass Schwarz-Rot “die Überwachungsinfrastruktur mit hohem Missbrauchspotenzial erneut einführen” wolle.” (Quelle: heise.de)
Das die Polizeigewerkschaft diesen Schritt begrüßt vermag nicht zu wundern, für den normalen Bürger ist das, um es überspitzt zu formulieren, einfach mal “NSA-light”.
Datenschutz
Hier tummeln sich geich 2 wesentliche Aspekte, die auch durch die große Koalition nicht konsequent angegangen werden.
Aus der gerade aktuellen Affaire um Snowden und die NSA haben die Koalitionäre scheinbar nichts gelernt.
Nicht nur, dass auf europäischer Ebene der Abschluss der europäischen Datenschutzverordnung seit Wochen und Monaten durch die Bundesregierung verschleppt wird, mehr als müde Absichtserklärungen findet man leider auch im Koalitionsvertrag nicht. Das mag natürlich nicht verwundern, wenn man das bisherige Auftreten des Innenministers dazu einmal Revue passieren lässt. Allerdings wurde auch hier eine Chance vertan, sich in diesem sensiblen Umfeld mit konkreten und verbindlichen Aussagen zu positionieren.
Insofern dürfen wir uns darauf einstellen, dass dieses wichtige Thema (unter anderem auch für die Wirtschaft) weiter munter liegen bleiben wird.
Des Weiteren soll die Stiftung Datenschutz nunmehr zu Stiftung Warentest integriert werden.
Mal ganz davon abgesehen, dass schon allein dieser Gedanke die Wertigkeit des Themas in der Koalition zum Ausdruck bringt (nämlich nahe dem Gefrierpunkt). Hier hat man die nächste Chance verpasst, dass Thema breiter aufzustellen. Es darf daran erinnert werden, dass selbst Datenschutzorganisationen der Stiftung Datenschutz fern geblieben sind. Anstatt man nun hier die bisher falschen Grundlage und Strukturenmal korrigiert, nimmt man das Konstrukt und versteckt es einfach in der Stiftung Warentest.
Und: Wetten, dass wir dann zukünftige Tests zum Thema Datenschutz kostenpflichtig abrufen dürfen ?
Insofern herzlichen Glückwunsch an die Koalitionäre. Deutlicher kann man nicht ausdrucken, dass einem die Themen der Bürger des Landes herzlich egal sind.
Digitale Unverbindlichkeiten – Bürgerbeteiligung
Gerade in den letzten Tagen wurde sowohl von Verbänden und Vereinen, aber auch seitens der Vertreter der CSU und der SPD, gefordert, dass auch auf Bundesebene die Bürger mehr Mitspracherechte erhalten sollen. Dazu wurde der Volksentscheid gefordert, den übrigens auch 83% der deutschen Bevölkerung für wichtig halten. Nur finden wir dazu im Koalitionsvertrag lediglich folgende Formulierung:
Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung zur Stärkung der Demokratie nutzen. Wir wollen die Informationen über politische Entscheidungen quantitativ und qualitativ verbessern und die Beteiligungsmöglichkeiten für die Menschen an der politischen Willensbildung ausbauen. Gerade im Vorfeld von Entscheidungen ist früh, offen, umfassend und verständlich zu informieren.
Ahja, man beachte schon einmal die Formulierung. Es wird nicht explizit gesagt, dass man diese Vorhaben umsetzen wird, sondern einfach nur, dass man das will. Insofern darf jetzt schon daran gezweifelt werden, dass dieser Wille in irgendeiner Form dann auch in aktivem Tun enden wird. Und …..
…. richtig. Das Wort Volksentscheid sucht man im gesamten Koalitionsvertrag vergebens.
Wieder einmal, wie schon beim Thema Datenschutz, wird deutlich, dass auch dieser Regierung der Wille der Bürger zur direkten Mitbestimmung völlig egal ist.
Fazit: Es wurden wieder einmal große Chancen vertan, die Themen Datenschutz, Bürgerrechte und direkte Mitbestimmung zu verankern.