Kritikkompetenz – eine kritische Kompetenz
In einer aktuellen Umfrage zu den wichtigsten Bildungsthemen sprechen sich bei knapp 180 Antworten 48% dafür aus, dass “soziale Kompetenz” eines der Themen ist, die bei den PIRATEN als Schulungsthema angeboten werden soll. Nun sind 48% nicht viel mag man meinen, da ja auch das Thema “Umgang mit Kritik” nur mit 50% bewertet wurde.
Doch drehen wir einfach mal die These um:
48% der teilnehmenden PIRATEN bescheinigen sich selbst und den anderen Mitgliedern nämlich auf diesem Wege ein Fehlen von “sozialen Kompetenzen”.
Klingt schon anders, oder ?
Schauen wir uns also etwas näher an, was denn da gerade so fehlt.
Wikipedia bringt uns mit seiner Definition etwas näher, über was genau wir denn da reden:
Soziale Kompetenz (englischsocial skills), häufig auch Soft Skills genannt, ist die Gesamtheit individueller Einstellungen und Fähigkeiten, die dazu dienlich sind, eigene Handlungsziele mit den Einstellungen und Werten einer Gruppe zu verknüpfen und in diesem Sinne auch das Verhalten und die Einstellungen dieser Gruppe zu beeinflussen. Soziale Kompetenz umfasst eine Vielzahl von Fertigkeiten, die für die soziale Interaktion nützlich bzw. notwendig sind. Ein zuweilen mit ihr gleichgesetzter Teilaspekt der sozialen Kompetenz ist dabei die sogenannte soziale Intelligenz als „Fähigkeit, andere zu verstehen sowie sich ihnen gegenüber situationsangemessen und klug zu verhalten“.[1]
Wir sprechen hier also von individuellen Fähigkeiten, nicht von irgendwelchen abstrakten Fähigkeiten, die obskure Parteigliederungen haben sollen. Individuelle Fähigkeiten bedeuten in diesem Zusammenhang eben auch, dass auch ein Bundesvorstand als Gruppe keine eigenen “Softskills” haben kann, sondern sich aus den individuellen Kompetenzen der jeweiligen Mitglieder zusammensetzt. Dies nur einfach als Einstieg, da wir uns die einzelnen Softskills nun näher anschauen. Und nein, ich schaue jetzt mal nicht auf die Softskills, die man beim Umgang mit sich selbst definiert, sondern eher auf die Skills die notwendig sind, um in einer politischen Partei etwas voranzubringen.
Im Umgang mit anderen:
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Schau an. Neben vielen Begriffen, die wir tagtäglich in der Partei üben, finden wir natürlich auch einige, die uns in den letzten Wochen abhanden gekommen sind. Oder es zumindest so scheint, als wären sie abhanden gekommen. Insbesondere im Umgang mit Anderen. Im Umgang mit Menschen, die nicht unserer Meinung sind (meiner Meinung sind). Im Umgang mit Meinungen, die uns nicht in das persönliche Bild oder die persönliche Meinung oder die individuelle Wahrnehmung zu bestimmten politischen Themen oder Vorgängen passen. Mit Gruppen oder Gliederungen der Partei, die nach “unserer Meinung” nicht das tun, was sie tun sollen. Oder nicht schnell genug. Oder gar nichts tun.
Was uns dabei scheinbar am schnellsten abhanden gekommen ist, ist insbesondere die Fähigkeit zur Kritik und zum Umgang damit. Kritik zu üben ist eine der Sachen, die Menschen seit Menschengedenken tun. Nicht neu. Kritik ist, neben der Neugierde, eine der Triebfedern der menschlichen Entwicklung. Wir wissen das. Wir wenden das an. Wir teilen Kritik aus. Mal betrifft Kritik auch uns selbst. So ist das Leben.
Nur was uns scheinbar immer weiter abhanden kommt, ist die Kritikfähigkeit. Kritikfähig ? Bin ich! Wird wohl jeder für sich in Anspruch nehmen. Doch wenn genau das so ist, warum sind wir dann in einer Situation wie jetzt? Warum toben sich ein Shitstorm nach dem anderen über Twitter. Warum sind manche thematische Mailinglisten übersät von nichts anderem als sinnfreien Genörgel gegen Einzelne, gegen Gruppen, gegen Strukturen. Warum eskalieren in schöner Regelmäßigkeit Mumble-Sitzungen mit Funktionsträgern, insbesondere dem Bundesvorstand?
Nein, wir haben die Fähigkeit zur Kritikfähigkeit nicht verlernt. Wir über Kritik, wir stecken Kritik ein. Nichts Neues. Doch was uns allen wohl ein bisschen fehlt, ist die Fähigkeit Kritik zu formulieren und auch Kritik anzunehmen. Uns fehlt aktuell Kritikkompetenz:
Kritikwas ….?
Die erlernte Fähigkeit, Kritik nicht als Angriff gegen die eigene Person, sondern als nützlichen Hinweis für Handlungsverbesserungen aufzunehmen, und die erlernte Fähigkeit, Kritik so zu üben und zu formulieren, dass sie anstatt zu kränken im Gegenteil motiviert, wird als Kritikkompetenz bezeichnet.
Und nun möge sich jeder fragen, ob er beim formulieren von Kritik gegen andere wirklich daran gedacht hat, diese so zu formulieren, dass sie anstatt zu kränken wirklich motiviert. Und beim Entgegennehmen als Kritik wirklich immer daran denkt, dass diese nicht gegen die eigene Person, sondern zur Optimierung/Verbesserung von §Dingen ist. Wenn man sich die letzten Wochen so anschaut stellt man fest, dass auf allen Seiten, an allen Ecken und bei fast allen der handelnden Personen extremste Defizite bei der Kritikkompetenz gibt. Na klar, das schließt den Autor des Blogs mit ein. Keine Frage. 😉
Doch was können wir denn nun genau tun, um dieses Dilemma wieder aufzulösen?
Wir? Gefragt ist hierbei jeder Einzelne. Ich? Ja klar, DU auch. Du, der Leser dieses Beitrags. Du musst nicht mit dem was ich in diesem Blog schreiben einverstanden sein. Das erwarte ich nicht. Aber Du darfst natürlich erst einmal deine Anerkennung und Deinen Respekt zum Ausdruck bringen, dass ich mich hinsetze und überhaupt etwas schreibe. Nein, nicht um Recht zu behalten, sondern um zum Nachdenken anzuregen, um etwas gemeinsam zu bewegen. Verdient das nicht Respekt und Anerkennung ? Würdest DU selber Dir das nicht auch wünschen, wenn Du einen Blog schreibst? Na klar.
Sicher, DU darfst mir dann auch gern sagen, was ich vielleicht falsch sehe, dass ich mit dem Blogpost komplett falsch liege, dass es genügend Argumente gibt, die gegen meine Ansicht sprechen. Das darfst DU nicht nur, das sollst DU auch. Das bringt mich weiter, diese Kritik nehme ich dann gern an, denke darüber nach und vielleicht hast Du auch Recht. Oder ich? Oder wir beide?
Ist das am Ende entscheidend? Nein. Im Sinne der Kritikfähigkeit und der Kritikkompetenz ist es das nicht. Es ist völlig egal wer am Ende des Tages von uns beiden Recht hat.
Es ist entscheidend, dass Kritik so geübt wird, dass sie den anderen anspornt, dass sie ihn ermutigt, §Dinge beim nächsten mal anders zu machen. Besser zu machen. Oder aber dem kritisierenden zeigt, dass er mit seiner Kritik auch mal falsch liegen kann.
Es ist wichtig, dass DU und ICH uns mit gegenseitigem Respekt und Achtung begegnen, trotz aller unterschiedlichen Ansichten. Und das wir uns gegenseitig das Gefühl geben, dass es nicht um Angriff geht, sondern um das Vorankommen in der Sache.
Wenn wir uns trotz aller gegenläufigen Ansichten trotz aller unterschiedlichen Meinungen, trotz aller Differenzen mit Achtung, Respekt und Konfliktkompetenz begegnen, dann haben Shitstorms auch keine Chance mehr. Dann haben Lautsprecher keine Chance mehr. Dann haben wir alle die Möglichkeit, die Partei gemeinsam voranzubringen.
Eine Grundvoraussetzung dafür ist das “zuhören”, das verstehen wollen. Viel zu oft lesen oder hören wir etwas, ohne wirklich “zuzuhören”. Viel zu oft sind wir einfach auf “”Angriff” geeicht und vergessen dabei, den anderen, seine Worte, seien Laute, seine Gestik, seine Zeilen aufzunehmen.
Wir sollten uns einfach wieder einmal zuhören. Etwas sehr schwieriges. Ich weiß.
Zuhören
Ich höre Musik
immer
und immer wieder
traurige Musik
langsame Musik
schnelle Musik
höre zu
auf jeden Laut
jeden Ton jedes Wort
versuche zu verstehn
zu begreifen
versuche zu lernen;
je länger
ich zuhöre
umsomehr weiß ich
Musik ist lernen
lernen zuzuhören
lernen zu verstehen
lernen zu begreifenSollte man mit Menschen nicht genauso verfahren wie mit der Musik ?
Es wäre schön, wenn jeder Einzelne von uns wieder anfängt, dem Anderen wieder zuzuhören. Mit Respekt. Mit Achtung. Mit Kritikkompetenz.
Nicht übermorgen. Nicht morgen. Sondern jetzt.
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